Interview mit Protain-Chef Kai Lotze (Amphi, E-tropolis): Als Project Pitchfork noch wilde Jungs waren und Rammstein noch in den Kinderschuhen steckten

Amphi-Festival 2016 / Foto: Dunkelklaus
Amphi-Festival 2016 / Foto: Dunkelklaus

Protain-Chef Kai Lotze kennt sie alle: Seit knapp 30 Jahren veranstaltet er Festivals und Konzerte, zum Beispiel das Amphi-Festival, das E-tropolis-Festival oder auch die jüngste Tour von Faderhead. Als dieser im Februar im Musikzentrum Hannover seinen Tourauftakt absolvierte, haben die Gruftboten die Gelegenheit genutzt und Kai Lotze zum Interview gebeten. Lest, warum die kommenden zwei Jahre für Pitchfork- und Gothic-Fans ein Traum werden könnten, was die jungen Rammstein für einen Eindruck hinterlassen haben und was ein Bookingagent den ganzen Tag (und auch viele Nächte) so treibt. 

 

 

Los geht's: 

Kai Lotze im Gespräch mit den Gruftboten / Foto: Dunkelklaus
Kai Lotze im Gespräch mit den Gruftboten / Foto: Dunkelklaus

Gruftbote: Hallo Kai, schön, dass Du kurz Zeit hast für ein Interview. 

 

Kai: Gerne doch.

 

Gruftbote: Du bist Chef bei Protain, Veranstalter unter anderem vom Amphi-Festival in Köln oder auch vom E-tropolis in Oberhausen, dazu kommen viele andere Konzerte, zum Beispiel das heutige Faderhead-Konzert in Hannover. Du bist in diesem Geschäft sozusagen ein alter Hase, stimmt's?

 

Kai: Ja, das ist richtig. Ich mache das inzwischen schon etwa 30 Jahre.

 

Gruftbote: Ist das schön oder ist es schlimm?

 

Kai: Es ist auf keinen Fall schlimm, es ist krass. Denn es ist immer wieder spannend.

 

Gruftbote: Wenn Dich jemand nicht kennt, was sagst Du dann, was für einen Job Du machst? Was ist Dein Beruf?

 

 

Kai: Da komme ich selbst immer etwas ins Straucheln. Es ist ja eine schöne Bezeichnung, Bookingagent zu sein. Aber in Deutschland kann fast niemand damit etwas anfangen. Also sag ich immer: Veranstalter für Konzerte und so. 

Faderhead in Hannover, 2. Februar 2018 / Foto: Dunkelkaus
Faderhead in Hannover, 2. Februar 2018 / Foto: Dunkelkaus

Gruftbote: Beschreib doch mal einen typischen Arbeitstag - falls es den gibt ...

 

Kai: Der typische Arbeitstag findet im Büro statt. Wir sind ja ein Team, und wir haben eine Art Gleitzeit, aber in der  Regel sind gegen 10 Uhr alle da. Da jeder seine eigenen Baustellen hat, machen wir keine morgendliche Besprechung, aber wir essen gemeinsam zu Mittag, und da besprechen wir uns dann. 

 

Gruftbote: Machst du zuerst Deinen Computer an oder holst Du Dir zuerst einen Kaffee?

 

Kai: (lacht) Ich trinke zu Hause schon meinen Kaffee, da kann ich mich im Büro sofort mit den E-Mails befassen.

 

Gruftbote: Telefonierst du viel? 

 

 

Kai: Nein, ich hasse das. Es ist uneffektiv. In derselben Zeit kann ich mehrere E-Mails schreiben. 

Covenant, E-tropolis-Festival 2017 / Foto: Dunkelklaus
Covenant, E-tropolis-Festival 2017 / Foto: Dunkelklaus

Gruftbote: Was genau müsst Ihr denn alles organisieren? Kannst Du uns ein paar Beispiele nennen? 

 

Kai: Ich bin Geschäftsführer von zwei verschiedenen Agenturen – zum einen Protain Concerts und zum anderen Amphi Festival GmbH. Letztere betreibe ich zusammen

mit Marco Göthel, der früher unter anderem für das WGT zuständig war. Über diese Firma laufen Events wie das Amphi-Festival in Köln, das E-tropolis-Festival in Oberhausen und unser neuestes Event „Unter Schwarzer Flagge“.

Als Veranstalter muß man quasi alles rund um das Event machen: Den Kontakt mit dem Veranstaltungsort und den Künstlern - also Venue mieten und Bands buchen -

Security, Stagehands und Sanitäter buchen, Werbung und Marketing, Gema und KSK (Anmerkung der Redaktion: KSK ist die Abkürzung für Künstlersozialkasse), Ticketvertrieb, Abstimmung mit Behörden etc.

Je größer die Veranstaltung, desto mehr Behörden sind involviert – beim Amphi haben wir da recht viel mit zu tun. 

Protain Concerts veranstaltet zwar auch Club- und Hallenshows, aber in erster Linie ist das eine Bookingagentur für diverse Bands, für die wir weltweit das Booking machen.  Wir haben einen Pool von Bands, derzeit sind das ungefähr 15, mit denen wir teils auch schon sehr lange zusammenarbeiten. Das sind zum Beispiel Covenant (seit 23 Jahren), And One (20 Jahre) oder Camouflage

 

Gruftbote: Klingt ganz danach, als ob es bald ein Jubiläumsfestival geben müsste. Oder?

 

Kai: Ja, meine erste Show habe ich 1990 im August veranstaltet, das war mit Project Pitchfork in Stadthagen. Also wäre 2020 dann mein Jubiläum.

 

Gruftbote: Na, das wäre doch was! Wenn Du für Dein Jubiläum etwas Musikalisches planen würdest, müsstest Du das jetzt schon vorbereiten?

 

 

Kai: Ja, so langsam. Beim Booking bin ich jetzt schon im Jahr 2019, da ist dann zum Beispiel eine Covenant-Tour. In vier, fünf Monaten müsste man dann mit 2020 anfangen, wenn man so ein Jubiläumsding machen möchte, wo ich tatsächlich drüber nachdenke. Man müsste ja überlegen, in welcher Stadt, ob Indoor oder Open Air, welche Bands und so weiter.

Project Pitchfork, M'era Luna-Festival 2017 / Foto: Dunkelklaus
Project Pitchfork, M'era Luna-Festival 2017 / Foto: Dunkelklaus

Gruftbote: Du hast doch sicherlich ein Lieblingslineup, eines, von dem Du vielleicht schon immer geträumt hast?

 

Kai: Man muss zuerst einige Fragen klären: Macht man diese Veranstaltung fürs Publikum? Oder für sich persönlich? Oder für und mit den Bands, mit denen man schon so lange zusammenarbeitet?

 

Gruftbote: Nun, Project Pitchfork - auch eine "Deiner" Bands - haben ja 2019 noch ein anderes Jubiläum anstehen.

 

Kai: Die haben ja andauernd welche. Irgendwas mit einer 30?

 

Gruftbote: Nein, etwas mit einer 5 vorne. Ein persönlicher Geburtstag.

 

 

Kai: Ja, stimmt. Das wäre ja was, da kann man was machen. Die sind eine meiner fleißigsten Bands mit zwei Touren im Jahr und Festival-Konzerten (((Link)))

Project Pitchfork in Potsdam, 24. März 2017 / Foto: Batty Blue
Project Pitchfork in Potsdam, 24. März 2017 / Foto: Batty Blue

Gruftbote: Du hast mal erzählt, wie Ihr euch kennen gelernt habt, also Du und Project Pitchfork. Da wart Ihr als Roadies unterwegs, oder? 

 

 

Kai: (lacht) Ja, das ist echt lange her und eine schöne Geschichte: Pitchfork hatten damals noch nicht einmal ihr erstes Demotape gemacht. Aber erstes Shows gespielt als Support von Tilt! (Anmerkung der Redaktion: Tilt! war eine EBM-Band aus Düsseldorf, viel geliebt, aber auch umstritten, Mitte der 90er hat sie sich dann aufgelöst.) Also, im Vorprogramm von Tilt! habe ich sie das erste Mal gesehen und dachte mir: Die Vorband ist ja viel geiler. Der Auftritt so oberkörperfrei, es waren damals noch wilde Jungs (lacht). Dann habe ich sie nach dem Konzert angesprochenen, ob sie ein Tape haben. Hatten sie leider nicht, so ist das erst wieder im Sande verlaufen. Dann, Wochen oder Monate später, habe ich sie in einem Sonderzug nach Jugoslawien wiedergetroffen. Ein Kumpel von mir hatte damals in Jugoslawien ein Festival veranstaltet mit den Einstürzenden Neubauten und ganz vielen anderen klasse Bands. Mein Kumpel hatte alle seine Freunde eingeladen zum Arbeiten, und die Pichfork-Jungs waren auch dabei, zum Helfen. Und dann saßen wir da alle in dem Sonderzug, der fuhr so etwa 30 Stunden, und wir hatten reichlich Zeit, uns kennen zu lernen. Das Festival-Wochenende haben wir zusammen verbracht und Pläne geschmiedet. Sie haben mir dann eine Masterkassette gegeben, die wir vervielfältigt haben, das Cover haben wir im Copyshop kopiert und anschließend zurechtgeschnitten und gefaltet. Man muss das Cover ja zehnmal falten, bis das richtig passt. Die fertigen Kassetten haben wir an Fans und Fanzines verschickt, dann wurde irgendwann eine Plattenfirma aufmerksam. Und dann ging es los.

E-tropolis-Festival 2017 / Foto: Dunkelklaus
E-tropolis-Festival 2017 / Foto: Dunkelklaus

Gruftbote: Was begeistert Dich an Deinem Beruf?

 

 

Kai: Die Freiheit, sich jeden Tag selbst einzuteilen, es ist alles sehr abwechslungsreich. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht, wie man so sagt. Und ich bin oft auf Konzerten oder Veranstaltungen und das auch in Ländern, wo ich sonst vielleicht nie hingekommen wäre.

 

Gruftbote: Gibt es auch etwas, das Dich nervt? Sind Künstler zum Beispiel so exzentrisch oder schwierig oder unzuverlässig, wie man es sich vorstellt?

 

 

Kai: (lacht) Also, die sind schon eine andere Spezies. Aber nach einer Zeit weiß man, wie man mit ihnen umzugehen hat. 

 

Gruftbote: Du hast also den ganzen Tag und auch viele Nächte mit Musikern und Musik zu tun. Hörst Du privat überhaupt noch Musik?

 

Kai: Eigentlich nicht. 

 

Gruftbote: Auf welche Band könntest Du nicht verzichten?

 

 

Kai: Depeche Mode.

Peter Heppner in Potsdam, 25. November 2017 / Foto: Batty Blue
Peter Heppner in Potsdam, 25. November 2017 / Foto: Batty Blue

Gruftbote: Mit welcher Band würdest Du gerne mal irgendwann was machen? Wo hast Du dir bislang die Zähne ausgebrochen?

 

Kai: Zähne ausgebrochen würde ich nicht sagen. Aber Rammstein wären toll.

 

Gruftbote: Die waren ja mal Vorband von Pitchfork.

 

Kai: Ja, aber zu der Zeit habe ich sie nicht so eingeschätzt, wie sie mal werden würden. 

 

Gruftbote: Sie sich selbst auch nicht. 

 

 

Kai: Ich habe die 1994 in Leipzig in einem kleinen Club gesehen. Die haben da eine schöne Show gezeigt, und dann habe ich sie gefragt, ob sie mit meiner Band (Project Pitchfork) vielleicht auf Tour gehen wollen. So kam das. Heute muss ich sagen: Also Rammstein wäre eine Band gewesen, mit der hätte ich rückblickend gerne weiter was gemacht. 

 

Gruftbote: Na, vielleicht kommt das ja noch... Als letzte Frage müssen wir Dir noch die Grufti-Kardinalsfrage stellen, die da heißt: Gitarren oder Keyboards?

 

Kai: Keyboards. Wenn ich mal privat Musik höre, dann eher was Elektronisches. 

 

Gruftbote: Vielen Dank für das Gespräch.

 

 

Kai: Danke Euch, hat Spaß gemacht.