Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Na dann: Bye-Bye Depeche Mode! Oder doch nicht? Das DeMo-Wochenende in Hannover in der Gruftboten-Rückschau

Depeche Mode in Hannover, 12. Juni 2017 / Foto: Dunkelklaus
Depeche Mode in Hannover, 12. Juni 2017 / Foto: Dunkelklaus

Vielleicht ist eine Autorin, die zu Depeche Mode-Parties geht, weil ja zwischen den ganzen DeMo-Songs auch anderes läuft, nicht die allerbeste Wahl für einen Text über ein ganzes Wochenende im Rausch der Synth-Rock-Pop-Briten. Und doch muss sie zugeben: Es war ein tolles Wochenende mit den unverwüstlichen Mannen um Sänger und Vorzeige-Westenträger Dave Gahan.

Über gleich zwei Depeche Mode-Konzerte in Folge, am Sonntag und Montag vor eineinhalb Wochen, konnten sich die DeMo-Fans aus Hannover und Umgebung freuen. Hinzu kamen insgesamt fünf Parties rund um die beiden Gigs der Band mit der Rose.

 

Das zieht: Die Gruftboten haben in Hannover mit DeMo-Fans aus Hamburg, Göttingen oder Würzburg gesprochen, allesamt extra angereist für das Riesen-Event. Insgesamt 75.000 Fans strömten an den beiden Konzert-Tagen in die schicke HDI-Arena der niedersächsischen Landeshauptstadt, und selbst die Polizisten schauten gebannt gen Bühne, zumindest am Montagabend, als auch die Gruftboten sich das Konzert der Briten ansahen.

 

Kein Wunder, denn dort auf der vergleichsweise bescheidenen, mit einem schmalen Steg ins Publikum versehenen Bühne vor der Nordkurve des Stadions fand nicht, wie in der Vergangenheit leider auch schon gesehen, eine Art sterile Depeche Mode-Theatervorstellung mit auffällig starren Abläufen statt, sondern ein richtiges Konzert von einer richtigen Band mit richtigen Musikern und vermutlich auch echten Gefühlen. Selbst die Setlist wurde an den beiden Tagen variiert, sodass die Wiederholungstäter unter den Fans sich auch bei Gig Nummer zwei nicht langweilen mussten.

Dave Gahan (Depeche Mode) in Hannover, 12. Juni 2017 / Foto: Dunkelklaus
Dave Gahan (Depeche Mode) in Hannover, 12. Juni 2017 / Foto: Dunkelklaus

Und doch: Vor allem Dave Gahan, der auch als 55-Jähriger vor allem weibliche Fans zu Seufzern oder Kreischattacken verführt, je nach Naturell, ist einiges vorzuwerfen. Wie ein liebeskranker, alternder Tangolehrer tanzt, wirbelt und scharwenzelt er über die Bühne, angetan in rassigem Schwarz und Rot, sich selbst öfter in den Schritt greifend als Michael Jackson - R.I.P. - zu seinen besten beziehungsweise schlimmsten Zeiten. Und dann noch das Begatten des Mikrofonständers, ach... Muss das sein?

 

Vielleicht muss das so. Die Stimme jedenfalls ist phänomenal, dunkel und gereift, was vor allem die guten, alten Songs, deretwegen offenkundig die meisten Besucher ins Stadion gekommen sind, mit ganz neuer Klasse versieht. Und auch das schnelle Sich-im-Kreis-Drehen, von And-One-Vertrauten gerne auch "Steve-Naghavi-Dreh" genannt, beherrscht Gahan virtuos.

 

Und dennoch wirkt das Lächeln unter den kajalgerahmten Augen - übertragen auf die große Leinwand neben der Bühne - ein wenig aufgesetzt, oft melancholisch, vor allem, wenn Gahan mit den Armen wedelt und das Publikum zu Jubel und Applaus auffordert. Auffordert? Muss das, bei so vielen treuen Fans? Offenbar, denn nicht durchgängig war das Publikum begeistert, es gab Hänger und auch mal, man muss es so sagen, Höflichkeitsapplaus. So ganz geht der Selbstläufer DeMo nicht mehr auf. War es das nun?

Martin Gore (Depeche Mode) in Hannover, 12. Juni 2017 / Foto: Dunkelklaus
Martin Gore (Depeche Mode) in Hannover, 12. Juni 2017 / Foto: Dunkelklaus

Nicht ganz, denn alles rausgeholt, gerettet und geradegerückt hat Martin Gore. Mister DeMo Nummer zwei - nicht nur optisch ein Grufti allererster Güte - hat mit seinen Solo-Songs wirklich zu Tränen gerührt. Da war er, der Depeche Mode-Effekt. Danke, Martin!

Daher ist auch die Best-of-Liste schnell geschrieben:

 

 

Bester Song: Shake The Disease (Martin Gore-Solo)

 

Beste Wiederentdeckung eines zu Tode genudelten Liedes: Everything Counts

 

Bester Song der neuen Platte: So Much Love

 

Meistvermisstes Lied: Blasphemous Rumours

 

Bestes Detail: Die vergleichsweise hohe Grufti-Dichte unter den Besuchern - und dank Martin Gore auch auf der Bühne. Yes!

 

Schrägstes Detail: Das Geständnis eines komplett betrunkenen DeMo-Fans aus Göttingen, dass er nun schon zum fünften Mal zum Konzert seiner Lieblingsband gehen würde, weil er von den vorherigen Konzerten leider wegen zu viel Bier nichts mitbekommen hat. Na, dann viel Vergnügen bei Konzert Nummer sechs.

 

Beste Party: Die DeMo-Aftershow-Party im schicken und vollkommen ungruftigen Hannoverschen Club Infinity am Sonntagabend. Danke an DJ Micha und DJ Lo-Renz! Top!

Depeche Mode in Hannover, 12. Juni 2017 / Foto: Dunkelklaus
Depeche Mode in Hannover, 12. Juni 2017 / Foto: Dunkelklaus

Und das Fazit? Ein tolles Konzerterlebnis mit einer Band, die alles erreicht und übertroffen hat, sogar den eigenen Zenit. Hat sich gelohnt.

Depeche Mode am 12. Juni 2017 in Hannover - Die Bildergalerie