Project Pitchfork-Chef Peter Spilles über das Pogen bei Konzerten, dumme Menschen und die Arbeit an Teil drei seiner Trilogie

Project Pitchfork in Hannover, 2. November 2018 / Foto: Dunkelklaus
Project Pitchfork in Hannover, 2. November 2018 / Foto: Dunkelklaus

Kurz vor dem restlos ausverkauften Konzert von Project Pitchfork im Musikzentrum in Hannover haben die Gruftboten Pitchfork-Chef Peter Spilles für ein flottes Interview getroffen. Darin erzählt er unter anderem, wie er sich während der anstrengenden Konzertphasen in Herbst und Frühjahr fithält, warum das Leben im Osten anders ist als in Hamburg und warum er nicht alles liest, was im Internet über ihn oder seine Band geschrieben wird.

 

Wir wünschen Euch ganz viel Spaß beim Lesen! 

Gruftbote: Guten Abend Peter, schön, dass Du Zeit hast für ein Interview so kurz vor dem Konzert. Wir müssen wohl gleich die „Pogo-Frage“ klären: Zurzeit wird im Netz viel darüber diskutiert, ob es ok ist, bei Euren Konzerten zu pogen. So einige scheint das doch arg zu stören. Wie siehst Du das?

 

Peter: Wenn es mir zu wild oder aggressiv wird, sage ich was. In der Regel ist es aber ein freundliches Miteinander. 

 

 

Gruftbote: Es ist ja meist auch ein relativ begrenzter Kreis. Im Vergleich zu früher ist das ja alles harmlos. Wir waren vor ein paar Wochen bei den Bollock Brothers, da wurde überhaupt nicht gepogt, das hat uns gewundert. Und dann fing einer an ein bisschen rumzuschubsen, daraufhin fiel eine Flasche runter, und sofort standen alle wieder ganz brav. Meinst Du, man wird irgendwann zu alt für so was?

 

Peter: Nein, glaube ich nicht. Die Fans von Iggy Pop machen das, glaube ich, auch noch. 

Peter Spilles (Project Pitchfork) in Hannover, 2. November 2018 / Foto: Dunkelklaus
Peter Spilles (Project Pitchfork) in Hannover, 2. November 2018 / Foto: Dunkelklaus

Gruftbote: Kommen wir zur Musik. Der zweite Teil Deiner Trilogie ist jetzt erschienen. Wann kommt der dritte?

 

Peter: Irgendwann in der ersten Jahreshälfte 2019. 

 

 

Gruftbote: Wie erarbeitest Du das? Du musst ja die Tour vorbereiten…

 

Peter: Es ist alles Arbeitsteilung. Ich bin zuständig für die Musik, für Text und Gesang. Alles andere, was die Tourvorbereitungen betrifft, übernimmt Jürgen (Jansen). 

 

 

Gruftbote: Kannst Du uns etwas über den Entstehungsprozess erzählen? Wie muss man sich das vorstellen? Setzt Du Dich hin und sagst: So, ich mache jetzt eine Trilogie, weil ich so viel Stoff unterzubringen habe?

 

Peter: Nein. Wir haben einfach nur überlegt: „Machen wir eine Trilogie? Ja. Warum machen wir das? Weil sich das gut verpacken lässt.“ Trisol ist eines der wenigen Labels, das noch Wert darauf legt, dass man so große Sachen machen kann, die sonst von Labels nicht bezahlt werden. Die Reihenfolge war so: Wir machen ein großes Buch, dann Fotos. Anschließend ging es eigentlich erst an die Musik. 

 

 

Gruftbote: Gibt es einen übergeordneten Begriff für die gesamte Trilogie?

 

Peter: Nein.

 

 

Gruftbote: Ist ja etwas schwierig, darüber zu reden, wenn das Baby keinen Namen hat. 

 

Peter: Na gut, ich weiß, wie das dritte Album heißen wird: „Elysium“. Dichter beschreiben mit diesem Begriff das Gefühl des höchsten Glücks. In der Trilogie bezieht sich das auf das Leben an sich und darauf, dass wir Menschen das Gefühl des höchsten Glücks in uns selbst bewahren. 

Project Pitchfork in Hannover, 2. November 2018 / Foto: Dunkelklaus
Project Pitchfork in Hannover, 2. November 2018 / Foto: Dunkelklaus

Gruftbote: Deine Texte sind ernst und durchdacht. Und Du forderst, dass man nicht zu Hause rumsitzt, sondern sich engagiert, etwas macht, wenn man mit der Situation unzufrieden ist. Die AfD ist jetzt in allen Landesparlamenten und im Bundestag vertreten, feiert Erfolge mit populistischen Thesen. Es scheint, als hätten es anders Aussehende und anders Denkende, subkulturell geprägte Leute, heute nicht mehr so leicht. Die Toleranz, auch gegenüber Künstlern wie Dir, scheint zu sinken. Macht Dir das Sorgen?

 

Peter: Ja, tatsächlich. Ich lebe im Osten, ich bekomme das noch ganz anders mit. Ich komme ursprünglich aus Hamburg, und dort regt man sich nicht auf, wenn mal fünf türkisch aussehende Jungen über die Straße laufen. Dort wo ich jetzt lebe, ist das ganz anders. Ich versuche da immer gegenzusteuern. 

 

 

Gruftbote: Hast du das Gefühl, dass Reden hilft? Also die Konfrontation mit Fakten?

 

Peter: Ja, weil viele Leute einfach aus Dummheit mitreden. 

 

 

Gruftbote: Liest Du alles, was so im Internet diskutiert wird?

 

Peter: Alles nicht. 

 

 

Gruftbote: Aber das, was Project Pitchfork betrifft, wahrscheinlich schon, oder?

 

Peter: Nein. Da ich kein privates Facebook-Profil habe, bekomme ich viele Sachen gar nicht persönlich mit. Wenn es etwas Wichtiges ist, zum Beispiel etwas, das so nicht stimmt, wird es mir aber gesagt. 

Project Pitchfork in Hannover, 2. November 2018 / Foto: Dunkelklaus
Project Pitchfork in Hannover, 2. November 2018 / Foto: Dunkelklaus

Gruftbote: Wie müssen wir uns Deine Arbeitstage vorstellen? In der Regel gebt Ihr im Herbst und im Frühjahr an den Wochenenden Konzerte. Und in der Woche? Gehst Du von 9 bis 18 Uhr ins Studio, um an der Musik zu arbeiten?

 

Peter: Nein, zwischen den Konzerten erhole ich mich. Man kommt Sonntag meist spät abends zu Hause an, oft sind es ja sehr lange Fahrten, dann muss ich mich erst mal erholen. Und es gibt ja noch private Dinge, die man machen muss. 

 

 

Gruftbote: Wie hältst Du dich fit? Wenn man sich Deine Konzertliste ansieht, ist das ja ein großes Pensum. Hast Du einen Tipp?

 

Peter: Ich mache relativ regelmäßig Sport, gehe zweimal die Woche eine Stunde ins Fitnessstudio. Allerdings hat mein Sport gerade etwas gelitten, da ich ja auch zwischendurch im Urlaub war. (lacht)

 

 

Gruftbote: Hörst Du privat Musik? Wenn ja welche?

 

Peter: Ja, klar. Szenemusik. 

 

 

Gruftbote: Auch die eigenen Alben?

 

Peter: Seltener. In der Produktionsphase überhöre ich sie meist. Wenn es darum geht, sie live zu spielen, höre ich sie aber erneut. Und dann natürlich auf den Konzerten. 

Project Pitchfork in Hannover, 2. November 2018 / Foto: Dunkelklaus
Project Pitchfork in Hannover, 2. November 2018 / Foto: Dunkelklaus

Gruftbote: Kommen wir noch mal zu Deinen aktuellen Werken. „Fragment“ ist Teil zwei der Trilogie. Welche Bedeutung hat es innerhalb der Trilogie?

 

Peter: Es ist halt die Fortführung. „Akkretion“ beschreibt die Entstehung, wie die Materie zueinanderfindet, große Klumpen bildet, die zu Sonnen werden. Und der Nebel formt sich zu Planeten. „Fragment“ handelt von Leben, das sich auf einem Planeten wiederfindet und sich als Teil dieser ganzen Bewegung um die Sonne verstehen muss. Davon handeln viele Texte.

 

 

Gruftbote: Es gibt ja auch ein Song mit deutschem Text.

 

Peter: Ja. Über „A Clockwork“, das mit dem deutschen Text, habe ich schon viele Dinge gehört, die so nicht stimmen. Das möchte ich mal kurz erklären: Ich singe da eigentlich über ein schwarzes Loch im Zentrum einer Milchstraße. Und darum geht es: Wo kommen unsere Gefühle her? Vielleicht ist ja etwas da, das in der Mitte sitzt und Dich festhalten will.

 

 

Gruftbote: Warum Deutsch und Englisch gemischt?

 

Peter: Weil ich es attraktiv fand. Ich wollte einfach mal wieder etwas Deutsches machen. 

 

 

Gruftbote: Du schreibst ja schon sehr anspruchsvolle Texte. Gehst Du davon aus, dass sich die Leute zu Hause auch intensiv damit auseinandersetzen?

 

Peter: Davon kann ich nicht ausgehen. Aber ich zähle auf die fünf oder zehn Prozent, die das machen. 

 

 

Gruftbote: Hast Du ein Lieblingslied auf „Fragment“?

 

Peter: Ja, alle. Ich versuche die Songs so zu schreiben, dass alle meine Lieblingskinder werden. 

 

 

Gruftbote: Weißt Du schon vorher, wie viele Songs auf das Album kommen?

 

Peter: Nein, das ist flexibel. Ich mache immer erst alles instrumental. Die Lieder müssen so sein, dass ich nicht weghören will. Sie müssen mich fesseln. Dann kommt der Text dazu. Anschließend müssen die Songs mich immer noch faszinieren. 

 

 

Gruftbote: Überlegst Du Dir vorher: Also, wenn ich jetzt einen komplizierten Text schreibe, muss ich den ja auch irgendwie live hinbekommen?

 

Peter: (lacht) Da trickse ich mich teilweise selber aus. Es gibt Texte, die kann ich eigentlich nur ablesen. 

 

 

Gruftbote: Oha. Gibt es Lieder, die Du wegen des schwierigen Textes nicht live spielst?

 

Peter: (lacht) Mittlerweile habe ich ja eine Texthilfe auf der Bühne... Beim Song „Feel!“ habe ich mir geistig selbst ein Bein gestellt, und ohne diese Hilfe wäre das echt schwer. Oder auch bei „The Circus“.

Project Pitchfork in Hannover, 2. November 2018 / Foto: Dunkelklaus
Project Pitchfork in Hannover, 2. November 2018 / Foto: Dunkelklaus

Gruftbote: Hast Du Sorge, dass irgendwas mal richtig schief geht auf der Bühne?

 

Peter: Nein, eigentlich nicht. Es ist ja alles schon passiert. Ich bin einmal von der Bühne gestürzt. Scheubi ist einmal hinten in ein Bühnenloch gefallen. Es sind auch Traversen runtergefallen. Es kann alles passieren. Solche Dinge passieren im besten Fall aber nur einmal. Dann achtet man mehr darauf.

 

 

Gruftbote: Wir haben gerade gesehen, dass Ihr diese schönen Lampen bei der Tour wieder dabei habt. Sie sehen ein wenig aus wie Drachenaugen. Wie wichtig ist ein Lichtkonzept, um Atmosphäre zu erschaffen?

 

Peter: Sehr wichtig. Ich bin auch sehr dankbar, dass wir Dominik Sebald gefunden haben, der das sehr begeistert und gut umsetzt. 

 

 

Gruftbote: Wie funktioniert das? Macht er Dir einen Vorschlag? 

 

Peter: Ja, er hat eine eigene Lichtfirma und weiß, was auf dem Markt ist und was möglich ist. Wir arbeiten einander zu. So bekommt er zum Beispiel Videos von mir, wenn sie verfügbar sind. Die kann er dann einsetzen, wenn er möchte. Aber ich lasse ihm viel freie Hand, da kommen meist die besten Sachen bei heraus. 

 

 

Gruftbote: Wie viele Live-Drummer braucht Pitchfork eigentlich? Zwei? Drei?

 

Peter: Auf der Bühne ist es schwieriger mit drei Drummern, das ist ja klar. Letztes Wochenende hatten wir nur einen Drummer dabei, und das war auch sehr schön. Aber manchmal ist der Hang zum Übertreiben eben auch toll. (lacht)

Project Pitchfork in Hannover, 2. November 2018 / Foto: Dunkelklaus
Project Pitchfork in Hannover, 2. November 2018 / Foto: Dunkelklaus

Gruftbote: Es gibt zu „Fragment“ noch kein Video. Wird noch eins kommen?

 

Peter: Ja, wenn ich es schaffe. 

 

 

Gruftbote: Zu welchem Song?

 

Peter: Das weiß ich noch nicht. Ich habe Bilder, weiß aber noch nicht, zu welchen Song sie am besten passen. Es wird aber kein klassisches „Die Band steht im Wald und singt“-Video werden, sondern eher Bilder. Ich mache das auch selber, da ich für die ganze künstlerische Umsetzung bei Pitchfork verantwortlich bin. 

 

 

Gruftbote: Was ist zuerst da, die Melodie oder der Rhythmus?

 

Peter: Das ist tatsächlich unterschiedlich. 

 

 

Gruftbote: Wie sammelst Du Ideen? Summst oder singst Du sie in Dein Handy, wenn Du unterwegs bist?

 

Peter: Ja, das kann auch passieren. 

 

 

Gruftbote: Und Texte?

 

Peter: Ja, wenn mir was einfällt. Texten ist wirklich schwierig. Ich sehe mich da als Märchenonkel. Und ich versuche, in sich geschlossene Sachen zu machen. Bei „Fragment“ werden zum Beispiel einige Sätze wiederholt, aber in verschiedenen Songs. Das schafft einen Rahmen. Am Ende soll alles Sinn ergeben.

Project Pitchfork in Hannover, 2. November 2018 / Foto: Dunkelklaus
Project Pitchfork in Hannover, 2. November 2018 / Foto: Dunkelklaus

Gruftbote: Gleich geht es ja auf die Bühne, dieses Mal in Hannover. Ihr seid ja auch in anderen Ländern unterwegs, gerade wart Ihr zum Beispiel in der Schweiz ...

 

Peter: ... und in Frankreich.

 

 

Gruftbote: Unterscheidet sich das Publikum in den verschiedenen Ländern?

 

Peter: Nein, das unterscheidet sich kaum weltweit.

 

 

Gruftbote: Die Tour läuft ja gut, viele Konzerte waren ruckzuck ausverkauft. Auch heute gibt es keine Tickets mehr an der Abendkasse...

 

Peter: Ja, läuft gut. 

 

 

Gruftbote: Und im Frühjahr geht es weiter?

 

Peter: Ja klar, im März. Wir freuen uns schon. 

 

 

Gruftbote: Dankeschön für das Interview. Und viel Spaß gleich beim Konzert.

 

Peter: Danke, Euch auch.