Asp im Gruftboten-Interview: „Ich arbeite mich gern in einen Rausch hinein“

ASP, Amphi-Festival 2018 / Foto: Dunkelklaus
ASP, Amphi-Festival 2018 / Foto: Dunkelklaus

Monatelang hat Asp sich rar gemacht und sich eine Auszeit vom öffentlichen Künstlertrubel genommen. Nun ist er zurück und bringt vor ausverkauften Häusern seinen "Krabat" auf die Bühne. Warum die Pause so wichtig für ihn war und was ihn immer wieder antreibt zu neuen Werken, hat Asp dem Gruftboten in einem ausführlichen und offenen Gespräch verraten. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen!

ASP, Amphi-Festival 2018 / Foto: Dunkelklaus
ASP, Amphi-Festival 2018 / Foto: Dunkelklaus

Gruftbote: Hallo Asp, schön, dass Du Zeit hast für ein Interview mit dem Gruftboten. Du hast ja eine längere Auszeit genommen, mit Ausnahme Deines Headliner-Auftritts beim Amphi-Festival im Sommer in Köln. Doch auch wenn Du eine Pause gemacht hast: Das Internet und vor allem die Diskussionen darin stoppen ja nie. Liest Du das alles, was da über Dich geschrieben wird? 

Asp: Ich musste mir das abgewöhnen, alles zu lesen. Wenn Du das tust, wirst Du völlig balla. 

Gruftbote: Nimmst Du Dir zu Herzen, was Du liest? 

Asp: Das kommt drauf an, was es ist. Ich habe gemerkt, dass ich mit dem, was ich mache, auch emotional weit offen bin. Die Leute stellen sich das immer so leicht vor, dass man auch Abstand nehmen kann. Aber wie soll man das machen? Ich lebe für das, was ich tue, und das mache ich mit allem, was ich hab. Bei mir ist das mit dem Herzblut, mit dem man dabei ist, kein Musikerspruch. Ich muss aber schon viel dafür kämpfen, dass ich das machen darf, was ich da mache. 

Gruftbote: Wie meinst Du das?

Asp: Man ist schlicht und einfach empfindsam, auch empfindlich, wenn die Leute mit ihren typischen Ungerechtigkeiten kommen. Über Mainstream-Vorwürfe lache ich, das tut mir nicht mehr weh. Aber es gibt so eine bestimmte Art von Leuten, die vielleicht vor zehn Jahren in einer Phase waren, wo sie ASP ganz toll fanden, und mittlerweile sind sie in einer anderen Lebensphase, und haben sich dann vielleicht angewöhnt, alles schlecht zu finden.

ASP, Amphi-Festival 2018 / Foto: Dunkelklaus
ASP, Amphi-Festival 2018 / Foto: Dunkelklaus

Gruftbote: Du meinst, im Internet sind quasi berufsmäßige Nörgler unterwegs?

Asp: Tatsächlich gibt es solche Leute. Manche scheinen eine Art kleinen Kreuzzug daraus zu machen, als hätte ich persönlich ihnen etwas getan. Zum Glück sind das nicht so viele, aber es gibt sie durchaus. Ich sehe das auch, dass alle Musiker dieser Sache heute ausgesetzt sind. Ich kann schon verstehen, dass manche überhaupt keinen Bock mehr auf Öffentlichkeit haben. 

Gruftbote: Ohne geht es aber auch nicht, Du willst ja auch jemanden erreichen mit Deiner Musik. Je offener Du bist, desto mehr Resonanz gibt es vermutlich auch, oder? Ist die Gefahr, negative Rückmeldungen zu bekommen, größer, wenn Du mehr von Dir preisgibst? 

Asp: Ohne Öffentlichkeit geht es natürlich nicht, ganz genau. Das ist auch in Ordnung. Aber Reaktionen sind immer eine Frage des Tons. Es hat sich in den letzten zwanzig Jahren viel gewandelt, auch durch asoziale Plattformen wie Facebook und so weiter. Es hat sich ein enorm rüder Umgangston entwickelt, und das ist so gar nicht meine Welt. Dennoch muss man natürlich auch damit umgehen, wenn man jemanden erreichen will mit dem, was man macht. Aber man sollte sich selbst nicht zu viel zumuten, sonst blockiert es einen nur.

ASP, Amphi-Festival 2018 / Foto: Dunkelklaus
ASP, Amphi-Festival 2018 / Foto: Dunkelklaus

Gruftbote: Lass uns doch mal über Deine Auszeit sprechen. Warum hast Du das gemacht?

Asp: Ich bin keine zwanzig mehr, und auch schon lange keine dreißig mehr. Irgendwann habe ich gemerkt: Das Leben, das ich führe, zehrt an mir. Man spürt, wie man viele Dinge vernachlässigt, die für andere total normal sind. 

Gruftbote: Zum Beispiel?

Asp: Soziale Kontakte, auch mal Urlaub machen oder schlicht und ergreifend auf seinen Körper achten. Das sind alles Sachen, für die ist es irgendwann auch zu spät. Ich habe mehrere deutliche Warnsignale bekommen, die mir zu denken gegeben haben. Ich hatte vor zwei Jahren einen Lungenkollaps, Pneumothorax nennt man das...

Gruftbote: Klingt gruselig. Klappt da der Lungenflügel zusammen oder was passiert?

Asp: Ja, genau. Das ist vor allem, wenn man Sänger ist, ein Problem. Zum einen, weil man eben Sänger ist. Dazu kommt dann noch das, was die Psyche damit macht. Das ist sehr schwer für mich gewesen, das zu veratmen. Da wusste ich, es wird so nicht weitergehen können. Das Problem war nur: Wenn man das tut, wozu man sich berufen fühlt, dann ist man auch schlecht im Prioritätensetzen. Denn für jede Entscheidung, die man für sich als privaten Menschen trifft, trifft man eine Entscheidung gegen den Beruf. Das ist ein schmaler Grat. Ich bin immer noch dabei, mich damit auseinanderzusetzen, und dafür war die Pause wirklich gut.


Gruftbote: Ist der "to read"-Stapel kleiner geworden?

Asp: Ja, das war auch eine der Errungenschaften, dass ich mal wieder eine halbe Stunde am Stück lesen durfte. Das mache ich meist vor dem Zubettgehen. Aber ich habe auch viel einfach zum Spaß für mich geschrieben, das ist auch wichtig. Manches wird vielleicht später auch verarbeitet, als Buch vielleicht.
Ich mache ja viele Bilderbücher zusammen mit Illustratoren. Aber es ist natürlich etwas ganz anderes, ohne eine Deadline zu schreiben, als wenn man zum Beispiel sagen würde: So, am 27.10.2019 kommt das neue ASP-Album. Bang! Ab da tickt nämlich die Uhr, und zwar gnadenlos.

ASP, Amphi-Festival 2018 / Foto: Dunkelklaus
ASP, Amphi-Festival 2018 / Foto: Dunkelklaus

Gruftbote: Für viele sind Deadlines allerdings zwingend notwendig, damit sie überhaupt etwas hinbekommen...

Asp: Das gilt auch für mich, weil ich sonst vom Hundertsten ins Tausendste komme. Allerdings empfinde ich auch immer eine gigantische Bringschuld. 

Gruftbote: Weshalb?

Asp: Ich arbeite mich gerne in einen Rausch hinein, weil ich denke: Die Fans würden sich doch freuen, wenn man dieses macht oder jenes. Das ist uferlos. Für mich ist es wirklich ein Akt, zu sagen, dass eine CD auch mal mit "nur" zehn Bonus-Songs oder so gehen kann. Dazu muss man wissen: Echte Tonträger gehen ein bisschen runter im Verkauf, dafür gibt es tatsächlich auch mehr digitale Käufe. An denen verdient man aber nur ungefähr ein Fünfzigstel von dem, was man an einem CD-Kauf verdient. Deshalb wird es irgendwann schwer, diese großen Gesamtkunstwerke aus Artwork und Bonus-CDs und so weiter wirklich durchzuziehen. Im Grunde ist es eine große Trommel: Du kannst Scheine reinwerfen und das Ganze dann anzünden. Deshalb klingt es banal, aber für mich ist es tatsächlich ein aktiver Prozess, zu sagen: Zehn Bonus-Songs sind auch mal in Ordnung. Das ist echt schwer für mich.

 

Gruftbote: Hast Du Dir mal überlegt, statt Deiner üblichen 150 Prozent auch mal "nur" 120 Prozent zu geben? 

Asp: Ich habe das Gefühl, dass mein Einsatz honoriert wird, und das ist auch sehr schön. Wenn man dann aber total irrsinniges Zeug macht, etwa ein 120-seitiges Booklet...

Gruftbote: ... das ist ja vom Umfang her fast die Hälfte von Preußler's Krabat. Er hat allerdings mehr als zehn Jahre daran gearbeitet ...

Asp: (lacht) Ja, das zeigt, dass wir uns hier und da in Zukunft zurücknehmen müssen, weil es sonst einfach nicht mehr geht. Auch wenn ich zum Beispiel das Artwork nicht selbst erstelle, so bin ich doch an jedem Prozess beteiligt. Es kommt ja auch alles aus meinem Kopf. Irgendwann macht man dann für 5000 Leute noch ein Booklet, das lohnt sich schon von den Druckkosten kaum mehr. 

Gruftbote: Und, wirst Du etwas ändern?

Asp: Ich hatte lange Zeit das Gefühl, dass das alles bei ASP einfach dazugehört. Darüber mal nachzudenken, dafür war die Pause auch gut. Ich kam dann an einen Punkt, wo ich mir gesagt habe: Der Wahnsinn muss einfach ein bisschen kontrollierter sein. So über die Jahre. Sonst wird das nichts mehr.

(Alle lachen)

Asp: Nein, im Ernst. Ich hab wirklich Lust, das alles zu machen, solange mich irgendjemand auf die Bühne trägt. Noch ist es zwar nicht so weit. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass ich das mit Mitte sechzig immer noch mache.

 

ASP, Amphi-Festival 2018 / Foto: Dunkelklaus
ASP, Amphi-Festival 2018 / Foto: Dunkelklaus

Gruftbote: Wie bereitest Du Dich auf einen Konzertabend vor?

Asp: Ich versuche, so wenig wie möglich an diesen Tagen zu tun. Früher habe ich tatsächlich bis zwei Stunden vor dem Auftritt noch an Sachen gearbeitet. Aber das mach ich nicht mehr. Ich bin jemand, der nach fast zwanzig Jahren immer noch unglaublich viel Lampenfieber hat. Ich merke, dass dann auch alles immer nur halb gut gelingt. Also lass ich das lieber. Ich arbeite vielleicht ein paar Mails ab, aber ich nehme mir nichts mehr vor, außer ich zu sein. Ich versuche auch, weniger zu reden, damit die Stimme schön hält.

Gruftbote: Gibt's da irgendeinen Trick, gurgelst Du mit etwas Bestimmten oder so? 

Asp: (lacht) Ich hab das jahrzehntelang mit Bier gemacht. Das sieht man ja auch.

Gruftbote: Soll ja helfen... 

Asp: Viel trinken ist tatsächlich gut. Was genau, ist nicht mal so wichtig. Tee ist sehr gut, Wasser geht natürlich auch. 

Gruftbote: Singst Du Dich ein, bevor Du auf die Bühne gehst? 

Asp: Ja.

Gruftbote: Gibt es sonst noch ein Ritual, das Dir hilft, zur Bühnenfigur Asp zu werden? 

Asp: Das Schminken. Das ist total wichtig. Ich fange mit einer hellen Grundierung an, danach kommen die Augen, und zum Schluss der Mund. Diese Verwandlung ist total wichtig, ich könnte das sonst nicht. Ich bin ein unfassbar scheuer Mensch. Vor mehreren Tausend Leuten zu singen, das ist normalerweise gar nichts für mich. Nein, also ich kann mir das eigentlich gar nicht vorstellen...

ASP, Amphi-Festival 2018 / Foto: Dunkelklaus
ASP, Amphi-Festival 2018 / Foto: Dunkelklaus

Gruftbote: Gibt's Momente auf der Bühne, wo Du das realisierst, was Du da eigentlich gerade machst? 

Asp: Nein, wenn ich einmal auf der Bühne bin, ist das alles weg. Dann bin ich ganz da.

Gruftbote: Beim Album „Maskenhaft“ hatte man den Eindruck, dass Du in einem großen Zwiespalt warst mit der Kunstfigur und Dir selbst. Ist das immer noch so?

Asp: Das war schon immer so, vom ersten Moment an, und ist auch immer so geblieben. Bei der „Maskenhaft“ kam das vielleicht sogar ein bisschen mehr raus, weil ich mir da zu ersten Mal viele Gedanken darüber gemacht habe, wer die Oberhand hat. Irgendwann habe ich gemerkt, dass die ganze Arbeit mit und um ASP einfach immer mehr wird. Es ist natürlich auch immer eine Frage der Verbreitung, Erfolg will ich da noch gar nicht sagen...

Gruftbote: Erklär das doch mal etwas genauer, bitte.

Asp: Es ist ein riesiger Unterschied, ob man ein Konzert für dreihundert bis vierhundert Leute macht oder für tausend. Auch, wie man mit ihnen umgeht, unterscheidet sich sehr. Bei Konzerten mit tausend Leuten kann ich nicht mehr nach jeder Show rausgehen und mich mit jedem unterhalten. Gar nicht so sehr deswegen, weil die ASP-Fans auch die Angewohnheit haben, unglaublich fordernd zu sein, in dem, was sie mir sagen wollen. Im Gegenteil, das ist ein tolles Zeichen, und ich nehme das immer als Wertschätzung wahr für das, was ich da mache. Aber ich habe auch gemerkt: Wenn einem viele Leute sehr nahe kommen, das saugt einen aus. Wir sagen ja auch nicht: Wir machen heute nur eine 90-Minuten-Show. Das machen wir vielleicht bei einen Festival, aber nie bei einer Tour. Wir versuchen immer ein langes Programm zu machen, weil wir das auch selbst so mögen. Allerdings ist es total schwer, die Songs auszuwählen.

 

Gruftbote: Wählst Du die Lieder alleine aus? 

Asp: Ja. Ich habe meist ungefähr zehn Songs zu viel auf der Liste. Dann kämpfe ich mehrere Tage darum, von welchem Baby ich mich trennen soll. Ich versuche immer, den Konzertabend als eine Komposition zu sehen. Dann weiß ich auch: Ich habe jetzt so und so viele Balladen und so und so viele schnellere Stücke. So fällt durch die Sortierung auch schon mal ein Stück raus. Und ich versuche außerdem, nicht immer nur auf Nummer sicher zu gehen. 

Gruftbote: Du wagst also auch mal was bei Konzerten?

Asp: Ja, gern sogar.

 

Die Gruftboten mit Asp, Amphi-Festival 2018 / Foto: Dunkelklaus
Die Gruftboten mit Asp, Amphi-Festival 2018 / Foto: Dunkelklaus

Gruftbote: Nun ist ja die Pause beendet, aktuell steht "Krabat" live auf Deinem Programm ... 

Asp: Ja, es geht zurück zu „Krabat“. Es ist ja so, dass einen die Geschichten ja nie ganz loslassen. Durch das Jubiläum „Zehn Jahre Zaubererbrüder“ hing das ja auch ein bisschen in der Luft.

Gruftbote: Ist das also eine Art Abschluss von den Zaubererbrüdern?

Asp: Im Grunde waren die Zaubererbrüder ja nicht nur mit Krabat beschäftigt. Der Name kommt ja von den ursprünglichen Programm, das wir damals gespielt haben: Von Zaubererbrüdern, schwarze Schmetterlingen und anderen Nachtgestalten. Die Idee, jetzt das komplette Album am Stück live zu spielen, ist ein Wagnis, das ich immer schon mal machen wollte.

 

Gruftbote: Deine Fans finden das offensichtlich auch gut, die Konzerte waren teils sehr schnell ausverkauft.

Asp: Und ich bin froh, dass Leute kommen wollen. Du hast natürlich mehrere Probleme, wenn du so etwas machst: Es gibt kaum Überraschungen, denn alle kennen die Platte und wissen, was geschieht. So einen Abend trotzdem gut zu gestalten, ist nochmal eine besondere Herausforderung. Ein Album erzählt eine völlig andere Geschichte, wenn man sie zu Hause hört als wenn man sie live hört.

Gruftbote: Klingt wirklich nach einer besonderen Herausforderung. Warum tust Du Dir das an?

Asp: Ich glaube der Hauptgrund, warum ich das machen wollte, ist, weil ich nie loslassen kann bei den Geschichten. Außerdem hatte ich noch ein paar Ideen im Schrank. Zwei von den Ideen könnte ich noch zur Blüte führen... 

Gruftbote: Und das heißt?

Asp: Das heißt, es wird zwei neue Songs geben, die sich da perfekt einbetten. 

Gruftbote: Auch das wird Deine Fans sicher freuen. Vielen Dank, Asp, für das ausführliche Gespräch und den Blick hinter die Kulissen.

Asp: Vielen Dank für das Interesse.